„Die Gedanken sind frei!“ – Beliebtes Volkslied mit ereignisreicher Geschichte und politischer Botschaft

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Volkslieder gehören zu einer Kultur und einem Land wie seine Sprache und Menschen. Sie sind gekennzeichnet durch die gemeinsame Tradition und haben sich – aufgrund ihrer Einfach- und Schlichtheit, aber auch der eingängigen Melodie – im Laufe der Zeit oftmals auch zu beliebten Kinderliedern entwickelt. Bekannte Beispiele für solche Lieder – die sich zumeist um die Themen Natur, Liebe, Nacht und Freundschaft drehen – sind u.a. „Guten Abend, gut‘ Nacht“, „Der Mond ist aufgegangen“ oder auch „Die Gedanken sind frei!“.

„Die Gedanken sind frei!“ fordert Freiheit und Unabhängigkeit

Das besondere bei „Die Gedanken sind frei!“: der Inhalt ist vergleichsweise vielschichtig und komplex, dennoch ist das Lied in den Kanon der bekanntesten und beliebtesten Kinderlieder eingegangen.

„Die Gedanken sind frei!“ ist ursprüngliche ein politisches Lied. Es geht darin vor allem um Gedankenfreiheit. Zum allerersten Mal wurde der Text um 1780 auf einem Flugblatt abgedruckt und veröffentlicht. Im späten 18. Jahrhundert, einer besonderen Phase in der Geschichte: eine Zeit der unterdrückenden, absolutistischen Herrscher auch innerhalb des Deutschen Bundes. Die Menschen sehnten sich nach Einheit und einem Ende der unterjochenden Machthaber, was ein paar Jahre später in der Französischen Revolution 1789 gipfelte. In Deutschland erreichte der Wunsch der Menschen nach Freiheit der Rede und Meinung seinen Höhepunkt in der Revolution von 1848. Vor allem die Studenten und Akademiker waren es, die mehr Rechte forderten.

Bekannteste heutige „Die Gedanken sind frei!“-Textversion von 1841

Die noch heute verbreitetste Text-Version von „Die Gedanken sind frei!“ stammt vom deutschen Universitäts-Professor Hoffmann von Fallersleben, der nicht nur die spätere deutsche Nationalhymne sondern auch viele populäre Kinderlieder schrieb (z.B. „Der Kuckuck und der Esel“ oder „Ein Männlein steht im Walde“) und sich entscheidend von der Umbruchphase und den Studentenforderungen jener Jahre in Deutschland beeinflussen ließ. Daher gilt „Die Gedanken sind frei!“ auch heute noch als eines der geläufigsten Studentenlieder. Fallersleben nahm sich 1841 des Textes von „Die Gedanken sind frei!“ an und bearbeite ihn in einer Form, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat und dir wir heute noch singen, hier in den ersten beiden Strophen:

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen
mit Pulver und Blei.
Die Gedanken sind frei!

Ich denke, was ich will
und was mich beglücket,
doch alles in der Still‘,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

Sinnbild für Kampf gegen Unterdrückung

Während der Berlin-Blockade erlangte das Lied "Die Gedanken sind frei" erneut Berühmtheit und wurde zum Fanal für den Widerstandswillen der freien Bürger Berlins gegen den Druck des diktatorischen Sowjet-Regimes in der angrenzenden DDR. (#1)

Während der Berlin-Blockade erlangte das Lied „Die Gedanken sind frei“ erneut Berühmtheit und wurde zum Fanal für den Widerstandswillen der freien Bürger Berlins gegen den Druck des diktatorischen Sowjet-Regimes in der angrenzenden DDR. (#1)

Denkt man an politische Unterdrückung, Freiheitsentzug und den Verlust allgemeiner Menschrechte in Deutschland, so fällt einem zuerst die NS-Diktatur unter Adolf Hitler ein. Gerade in dieser Zeit spendeten die – das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit einfordernden – politischen Volkslieder wie „Die Gedanken sind frei!“ den Menschen Trost und Hoffnung. Zu besonderen „Ehren“ kam das Lied 1942, als die Widerstandskämpferin Sophie Scholl die Melodie des Lieds an jener Gefängnismauer sang, hinter der ihr Vater wegen hitlerkritischer Äußerungen einsaß.

Auch sechs Jahre später, während der Blockade Berlins durch die Sowjets, stand das Lied symbolhaft für Autonomie, Unabhängigkeit und den Freiheitsdrang der Bevölkerung, als es von 300.000 Menschen vor der Ruine des Reichstags angestimmt wurde. Der Politiker (und spätere Berliner Oberbürgermeister) Ernst Reuter hielt gerade eine Rede, in der er dazu aufforderte, die „Stadt nicht preiszugeben“, als die Menge plötzlich anfing, das Lied anzustimmen. Auch die Strophen drei und vier bringen klar zum Ausdruck, um was es den Menschen ging. Um ein Ende der Einschränkungen, ein Ende der Blockade:

Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
ich spotte der Pein
und menschlicher Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei!

Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen,
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
Die Gedanken sind frei!

„Die Gedanken sind frei!“ im Kino, TV und in der Musik

In der jüngeren Vergangenheit, bis ins 21. Jahrhundert hinein, wurde „Die Gedanken sind frei!“ immer wieder auch von bekannten Popmusikern interpretiert, neu eingespielt oder hielt Einzug in das Medium Film, sowie in TV- und Radiowerbung, in der es als Hintergrundmusik oder -melodie verwendet wurde. All dies trug dazu bei, dass „Die Gedanke sind frei!“ deshalb so ungemein populär wurde heute bei nahezu allen Altersgruppen bekannt ist:
Bekannte Beispiele hierfür sind:

  • der kanadische Singer-Songwriter Leonard Cohen („Suzanne“) spielte das Lied während seiner Deutschland-Tour 1976
  • Sängerin Nena spielte das Lied für ihre Kinderlieder-CD „Komm lieber Mai“ 1990 neu ein
  • im deutschen Kino-Thriller „23 – nichts ist so, wie es scheint“ (1998) mit August Diehl, singen die beiden Hauptfiguren „Die Gedanken sind frei!“ im Zug
  • das deutsche Webportal GMX nutzt das Lied seit 2005 für seine TV-Werbekampagnen. Im Hintergrund singt ein kleines Mädchen „Die Gedanken sind frei!“. Der Einsatz des Lieds in dieser Werbung machte das Volkslied auch bei vielen Kindern und Jugendlichen sehr bekannt

„Die Gedanken sind frei!“ findet sich auch heute in den Gesangsbüchern vieler akademischer Vereinigungen wie etwa den Burschenschaften und ist eines der gängigsten Studentenlieder. Damals wie heute steht es für die Sehnsucht der jungen Menschen nach Einheit, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung.


Bildnachweis: © Fotolia – Titelbild Patrick Daxenbichler, #1 whitelook

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